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Appell zur Überprüfung von Regulierungsmaßnahmen

Berlin, 3. März 2023

 

ZIA Finance Day 2023 thematisiert Folgen der Trendumkehr am Immobilienmarkt

Im Mittelpunkt des diesjährigen ZIA Finance Day stand das Thema Regulierung. Angesichts der vielen Belastungsfaktoren, die derzeit auf die Immobilienbranche und den Immobilienfinanzierungsmarkt wirken, stand bei nahezu allen Keynotes und Panels die Frage im Raum, was die aktuelle Zurückhaltung am Markt auflösen könnte. Mögliche Ansatzpunkte hierfür machten dabei mehrere Redner:innen bei Regulierungsmaßnahmen aus, unter anderem vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Der ZIA Finance Day fand in diesem Jahr am 28. Februar 2023 in den Räumlichkeiten der European School of Management and Technology in Berlin statt und zog rund 350 Gäste an.

Bundesbank-Vorstand Prof. Joachim Wuermeling, der die erste Keynote des Tages hielt, sprach mit Blick auf die aktuellen Rückgänge bei Immobilienpreisen und Immobilienkrediten von einer „Schubumkehr“ am Immobilienmarkt, u. a. ausgelöst durch die Inflation, Konjunkturauswirkungen und die Zinsentwicklung.

Die aktuelle Marktsituation, in der laut Bundesbank weiterhin Überbewertungen von 25% bis 40% festzustellen seien, würde auch erhöhte Risiken für die Immobilienfinanzierer mit sich bringen. Aus diesem Grund verteidigte Prof. Wuermeling die zum 1. Februar dieses Jahres aktivierten Kapitalpuffer für Kreditinstitute. Bezugnehmend auf Kritik aus der Kreditwirtschaft betonte er, dass der sektorale Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen die Kalkulation von Krediten lediglich um 0,03% steigen lasse, dies sei also ein vernachlässigbarer Effekt.

Wenn dieser Effekt tatsächlich so vernachlässigbar sei, merkte Tolckmitt später an, seien sowohl die Einführung des Puffers als auch das jetzige Festhalten daran noch weniger nachvollziehbar als ohnehin schon. Bereits bei der Ankündigung der Kapitalpuffer hätten die Rahmendaten des Wohnimmobilien-Finanzierungsmarkts gegen diese Maßnahme gesprochen. Nach der erfolgten Trendumkehr am Markt seien auch die letzten Rechtfertigungsgründe weggefallen, so Tolckmitt, denn Kreditwachstum und Preiszuwächse seien inzwischen auch beendet. Er appellierte daher für eine Abschaffung zumindest des sektoralen Systemrisikopuffers – wohl wissend, dass dieser Schritt nicht allein die aktuellen Probleme löse, aber:

„Die Abschaffung der Kapitalpuffer wäre auf jeden Fall ein Beitrag zur notwendigen Entlastung – und jeder Beitrag ist willkommen.“

Weiter führte er aus: „Nach 15 Jahren Bankenregulierung ist es an der Zeit, Regulierungsmaßnahmen auf ihre Zielsetzung und Wirksamkeit zu überprüfen.“ Unterstützung erhielt Tolckmitt von Dr. Hermann-Josef Tebroke, Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied im Finanzausschuss, der mit Blick auf die aktuelle Regulierung meinte, man sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

Eine Überprüfung von Regulierungsmaßnahmen regte in seiner Keynote auch Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im von der FDP geführten Bundesfinanzministerium, an. Als Beispiel nannte er die Green Asset Ratio, die für ihn eine geringe Aussagekraft habe, weil viele der benötigten Daten nicht vorlägen. Er versicherte, dass die Bundesregierung die Entwicklung steigender Baukosten und geringerer Erschwinglichkeit von Wohneigentum im Blick habe und daran arbeite, Abhilfe zu schaffen. In Aussicht stellte er schnellere Genehmigungsverfahren und möglicherweise eine weitere Einbindung der KfW. Abschließend betonte Dr. Toncar die enorme Bedeutung des Langzeit-Trends ESG und damit einhergehend von Sustainable Finance.

Letztgenanntes Stichwort fiel während des ZIA Finance Day sehr häufig – oft verbunden mit der Kritik, dass die Taxonomie bislang nur auf die Kategorien „grün“ oder „nicht-grün“ ausgelegt sei. Es fehle eine Lösung für Unternehmen, Objekte und Produkte, die derzeit noch nicht vollständig grün seien. Es müsse aber gewürdigt werden, dass sie sich auf den Weg zu „grün“ aufgemacht hätten. Jochen Schenk, ZIA-Vizepräsident und CEO der Real I.S. AG, forderte in diesem Zusammenhang einen „Manage-to-green-Ansatz“, um die nachhaltige Transformation des Gebäudebestands entscheidend voranzutreiben.

Zu den weiteren Keynote-Speakern und Panel-Teilnehmer:innen gehörten Verena Ross, Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, Dr. Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Sascha Klaus, CEO der Berlin Hyp, sowie Silke Stremlau, Vorstand der Hannoversche Kassen und Vorsitzende des Sustainable Finance Beirats der Bundesregierung.