Beleihungswert
Der Beleihungswert zählt zu den zentralen Elementen der kreditwirtschaftlichen Immobilienbewertung. Er stellt auf die langfristigen und nachhaltigen Merkmale der zu beleihenden Immobilie ab und schließt spekulative Elemente und konjunkturell bedingte Wertschwankungen aus.
Handelte es sich hierbei lange Jahre um ein hauptsächlich in Deutschland angewandtes Bewertungskonzept mit einer Historie, die auf das Hypothekenbankengesetz von 1900 zurückgeht, ist er mittlerweile auch in der europäischen Diskussion um Wertansätze für die kreditwirtschaftliche Wertermittlung angekommen.
Die teils heftigen Turbulenzen der vergangenen Jahre an den Immobilienmärkten waren in Deutschland nicht spürbar. Dies hat viele Ursachen: Neben der von anderen Immobilienmärkten abweichenden Struktur und Funktionsweise des deutschen Wohn- und Gewerbeimmobilienmarktes stabilisiert die besondere Art und Weise der Immobilienfinanzierung den Markt. Der hier übliche Festzinskredit, die für Immobilien verbreitete Refinanzierung über Hypothekenpfandbriefe und die damit im Zusammenhang stehende Anwendung des Beleihungswertes haben erheblich dazu beigetragen, Spekulationen und starke Preisvolatilitäten zu vermeiden.
Dies wurde selbstverständlich auch außerhalb Deutschlands beobachtet und zum Anlass genommen, sich stärker mit der Thematik „Beleihungswert“ auseinanderzusetzen. Neben den Anforderungen an die Methodik der Beleihungswertermittlung stellen Unabhängigkeit, Berufserfahrung und Fachkenntnis der Gutachter eine wesentliche Säule des Beleihungswertkonzeptes dar.
Nach § 3 der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) ist der Beleihungswert der Wert der Immobilie, der erfahrungsgemäß unabhängig von vorübergehenden, etwa konjunkturbedingten Wertschwankungen am maßgeblichen Grundstücksmarkt und unter Ausschaltung von spekulativen Elementen während der gesamten Dauer der Beleihung bei einer Veräußerung voraussichtlich erzielt werden kann.
Der Beleihungswert unterscheidet sich daher vom Marktwert als Stichtagswert insbesondere durch seinen Bezug auf einen Zeitraum unabhängig vom Konjunkturverlauf.
Im Rahmen einer "vorsichtigen Bewertung" wird konsequent auf die Berücksichtigung der langfristigen und nachhaltigen Objektmerkmale sowie derzeitige und mögliche anderweitige Nutzungen abgestellt. Insbesondere durch die Glättung aktueller, möglicherweise übertriebener Markterwartungen hat der Beleihungswert in seiner jahrzehntelangen Anwendung dazu beigetragen, dass die hypothekarische Kreditvergabe in Deutschland stabilisierend auf den deutschen Immobilienmarkt wirkt.
Der Beleihungswert darf den Marktwert nicht überschreiten. Der Abstand zwischen Markt- und Beleihungswert variiert während des Beleihungszeitraums und je nach Marktphase: Er wird in Boomphasen tendenziell größer und in Phasen des wirtschaftlichen Abschwungs eher kleiner sein, weshalb ein einfaches Abschlagsverfahren nicht möglich ist.
Das Konzept des Beleihungswertes geht auf das Jahr 1900 zurück und wurde seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Mit dem Inkrafttreten des Pfandbriefgesetzes am 19. Juli 2005 wurden die gesetzlichen Bestimmungen zum Beleihungswert modernisiert. Darauf aufbauend enthält die am 1. August 2006 in Kraft getretene BelWertV Anforderungen an die Methodik der Beleihungswertermittlung sowie an die Gutachter und das Gutachten.
Bei Realkrediten handelt es sich i.d.R. um langfristige Darlehen. Der Wert der Immobilie muss der Bank zu jedem Zeitpunkt während der Kreditlaufzeit eine ausreichende Kreditsicherheit bieten. Der Beleihungswert kann daher kein stichtagsbezogener Wert wie der Marktwert sein, sondern darf nur die nachhaltigen und damit langfristigen Eigenschaften einer Immobilie berücksichtigen.
Pfandbriefbanken sind verpflichtet, den Beleihungswert nach BelWertV zu ermitteln und für die Indeckungnahme zugrunde zu legen (§ 16 PfandBG). Um die hohe Sicherheit der Hypothekenpfandbriefe jederzeit zu garantieren, werden zusätzlich zu der vorsichtigen Ermittlung des Beleihungswertes nur Darlehensteile bis zu 60% des Beleihungswertes in Deckung genommen. Pfandbriefbanken können auch Ausläufe oberhalb der 60 %-Grenze finanzieren. Jedoch können diese Darlehensteile nicht über Hypothekenpfandbriefe refinanziert werden.
Zu begrüßen ist zudem, dass sich in Deutschland die Anwendung der BelWertV immer mehr durchsetzt. Bis vor wenigen Jahren wurde diese Methodik weitestgehend nur von Pfandbriefbanken angewandt. Heute zeigt sich, dass der Beleihungswert nach BelWertV zunehmend auch in Kreditinstituten Anwendung findet, bei denen die Emission von Hypothekenpfandbriefen nicht im Fokus steht. Der Beleihungswert wird als Variante zur Ermittlung der (für alle Kreditinstitute geltenden) Eigenkapitalprivilegierung für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite genutzt. Dies verleiht ihm eine kontinuierlich wachsende Bedeutung auch über den Kreis der Pfandbriefbanken hinaus.
Die Beleihungswertmethodik wird seit 1995 durch den Ausschuss für Bewertungsfragen im Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. (ehemals VDH) weiterentwickelt und verfeinert. In den 1990er Jahren entstanden grundlegende methodische Arbeitspapiere, die mit der BaFin abgestimmt wurden. Dadurch konnten Standards gesetzt werden, die zum Teil identisch in die BelWertV übernommen wurden.
Seit dem Inkrafttreten der BelWertV arbeitet der vdp an der Klärung von Auslegungsfragen. Er tritt weiterhin dafür ein, dass der Beleihungswert und seine in der BelWertV geregelten Anforderungen dem geforderten Sicherheitsbedürfnis an die Deckungsmassen gerecht werden.
Denn letztlich hängt die Sicherheit des Pfandbriefs unmittelbar mit den nachhaltigen und langfristig bemessenen Werten in den Deckungsmassen ab. Außerdem müssen die organisatorischen und methodischen Anforderungen an den Beleihungswert so ausgestaltet sein, dass die Pfandbriefbanken im Wettbewerb zu anderen Finanzinstituten schnell und flexibel die gewünschten Finanzierungsmittel bereitstellen können.
Der vdp verfügt über eine Vielzahl von Klarstellungen und Empfehlungen zur BelWertV, die nebenstehend unter "vdp-Ausarbeitungen" heruntergeladen werden können.