#jointhepfandbrief: Interview mit Dr. Thomas-Georg Hartstein
Wie nehmen Sie die derzeitigen dynamischen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt wahr und hat dies Auswirkungen auf den Recruiting-Prozess?
Ich bin Psychologe - mit einer Leidenschaft für Eignungsdiagnostik: „Wie wähle ich unter vielen Personen die eine, richtige aus?“ war die Kernfrage, um die es sich in meinem Studium noch Ende der 90iger Jahre drehte, wenn man über Recruiting gesprochen hat. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass Diagnostik für ein erfolgreiches Recruiting allein schon lange nicht mehr ausreicht, bedingt durch die demografische Entwicklung bzw. den Fachkräftemangel. Stattdessen wurde Sourcing immer entscheidender. Recruiting hat sich vor diesem Hintergrund zu einer vertriebsorientierten Aufgabe entwickelt.
Die Eignungsdiagnostik als solche hat sich aber auch verändert: Heutzutage ist es kaum mehr möglich, nur nach „fertigen“ Skills zu suchen. Potenziale sind viel wichtiger, und dies erfordert gerade auch den tieferen Blick auf die Motivation der BewerberInnen. Dieser Anspruch ist meiner Einschätzung nach noch herausfordernder, da die RecruiterInnen keine einfache Checkliste von Fähigkeiten mehr abhaken können.
Der Prozess selbst muss schnell und effizient sein, aber auch die persönliche Ansprache ermöglichen: An den Stellen, wo es um standardisierbare Prozesse geht, erwarten BewerberInnen einfache Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen, sich zu bewerben. Und sie erwarten sehr schnelle Reaktionszeiten. Die Kunst ist meiner Meinung nach eine Balance herzustellen zwischen automatisierbaren Prozessschritten und sehr individuellen, persönlichen Ansprachen, sobald sich eine Person für eine Stelle interessiert bzw. sich beworben hat.
Übrigens: Ich finde, die Nutzung von KI ist im Recruiting noch nicht weit verbreitet. In der Regel sieht man eher die Teilautomatisierung einzelner Prozessschritte, um eben schneller, effizienter zu werden. Aber ich sehe da Potenzial für zukünftige Entwicklungen.
Trotz aller Herausforderungen macht mir der Aufbau und die Gestaltung dieser Funktion im Unternehmen viel Spaß. Es ist eine lohnende Aufgabe, sicherzustellen, dass wir talentierte Menschen gewinnen und die Helaba als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen wird.
Welche Mittel und Möglichkeiten nutzen Sie zum Recruiting? Welche Plattform funktioniert für Sie am besten und warum?
Eine gut dargestellte Stellenanzeige ist für uns das wichtigste. Vor allem bei Junior-Zielgruppen versuchen wir übrigens, von althergebrachten Formaten abzurücken. Stattdessen versuchen wir mehr und mehr, Storytelling-Ansätze zu nutzen, um die Position „erlebbar“ zu machen. Eine Idee, die wir mittelfristig auch auf alle anderen Stellenanzeigen bei uns ausweiten wollen.
Zukünftig planen wir aber auch sehr zielgerichtete Anzeigen beim potentiellen Kandidatenkreis in Talentpools – das bauen wir kurzfristig auf. Für sehr schwer zu besetzende Positionen nutzen wir externe Dienstleister, also klassische Personalberatungen, aber auch weitere spezialisierte Recruitingprovider.
Active Sourcing ist für uns ebenfalls relevant, und gerade dann ein guter Weg, wenn Führungskräfte als Hiring ManagerInnen direkt im Active Sourcing involviert sind.
Wir planen darüber hinaus mehr persönlichen Kontakt zu jungen Talenten bei Netzwerkveranstaltungen zum Beispiel in Hochschulen aufzubauen. Der persönliche Kontakt ist uns da wichtig, denn: Bei manchen Talenten macht sich doch eine Art „virtuelle Erschöpfung“ bemerkbar, meint, auf eine Ansprache mit digitalen Medien reagieren bestimmte Zielgruppen immer weniger.
Welche Maßnahmen setzen Sie um, um den Nachwuchs für Ihre Vakanzen zu begeistern?
Wir bieten ein Angebot von breit angelegten Berufseinstiegsprogrammen: Traineeprogramme entlang einer im Unternehmen relevanten Wertschöpfungskette oder eine Ausbildung mit Schwerpunkt auf IT-Berufe. Und: Wir bilden aus, um zu übernehmen!
Unsere studentischen Praktika in verschiedenen Bankbereichen bieten die Möglichkeit, verschiedene Tätigkeiten zu entdecken. Tolle PraktikantInnen möchten wir natürlich auch weiterhin an uns binden und mit einer WerkstudentInnen-Tätigkeit neugierig auf Bankgeschäft machen. Wir vernetzen unsere Nachwuchskräfte über Welcome Days oder Community-Events. Vor allem aber achten wir auf eine individuelle Betreuung durch unser Ausbildungsteam, aber auch in den Fachbereichen.
Wir haben eine attraktive Vergütung und umfassende Benefits. Zudem arbeiten bei uns unsere Nachwuchskräfte mobil im flexiblen Arbeitszeitmodell.
Was denken Sie, wie wird sich der Arbeitsmarkt, insbesondere bezüglich der Themen Homeoffice und Mobiles Arbeiten, in den nächsten Jahren entwickeln?
Glücklicher Weise ist es uns als Bank möglich, mobiles Arbeiten anbieten zu können. Diese Möglichkeit ist schon heute wichtig, um gute Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Und ich denke, es wird zunehmend wichtiger und dieser Trend ist auch nicht umkehrbar. Es ist aber entscheidend, eine ausgewogene Balance zwischen mobilem Arbeiten und der Zusammenarbeit „vor Ort“ zu finden.
Den Wert von Präsenz am Arbeitsplatz möchte ich vor allem da betonen, wo Neues entsteht, wo Zusammenarbeit im Team einen Unterschied macht. Ideenfindung und Kreativität gelingen besser im Team – und das ist dann der Anlass, in Präsenz zusammen zu kommen.
Insgesamt sehe ich die Notwendigkeit, als Unternehmen und auch als Führungskraft solche Angebote zu schaffen, damit die Menschen gerne ins Büro kommen. Ich denke, dass sich das auch darauf auswirkt, wie zukünftig attraktive Büros gestaltet sein sollten.