#jointhepfandbrief: Interview mit Jörg Lambrecht
Wie nehmen Sie die derzeitigen dynamischen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt wahr und hat dies Auswirkungen auf den Recruiting-Prozess?
Aktuell scheint der Arbeitsmarkt von der konjunkturellen Entwicklung abgekoppelt zu sein, was ein neues Phänomen darstellt. Früher war der Arbeitsmarkt ein Barometer für die Wirtschaftslage. Heute kämpfen Unternehmen immer noch mit den Auswirkungen der Pandemie, steigenden Preisen und Unsicherheiten, aber trotzdem herrscht ein Fachkräftemangel, der Unternehmen unabhängig von ihrer Größe und Branche betrifft.
Dies verstärkt den Trend hin zu einem sogenannten Kandidatenmarkt, bei dem die Bewerber die Oberhand haben. Unternehmen müssen sich aktiv um Kandidatinnen und Kandidaten bemühen. Dabei müssen sie gleichzeitig ihre Arbeitgebermarke stärken und eine positive Unternehmenskultur fördern. Die demografischen Entwicklungen deuten darauf hin, dass dieser Trend in den nächsten Jahren anhalten wird. Viele Kandidaten sind latent auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, aber die Unternehmen müssen schnell und überzeugend sein, da Geschwindigkeit eine wichtige Rolle spielt. Schlankere Prozesse und Transparenz sind entscheidend, um das Vertrauen der Kandidaten zu gewinnen.
In dem Zusammenhang wird auch Active Sourcing immer wichtiger, da das bloße Veröffentlichen von Stellenanzeigen nicht mehr ausreicht. Es geht darum, potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten aktiv anzusprechen und für die Position zu gewinnen. Dies erfordert eine persönliche Komponente im Prozess und eine starke Arbeitgebermarke.
Welche Mittel und Möglichkeiten nutzen Sie zum Recruiting? Welche Plattform funktioniert für Sie am besten und warum?
Natürlich nutzen wir weiterhin klassische Wege wie Jobportale und Social Media Plattformen wie LinkedIn und Xing für die Stellenschaltung. Für den Vertrieb haben wir in diesem Jahr erstmals eine neue Herangehensweise ausprobiert: Wir schalten Stellenanzeigen vorerst für 4 Wochen auf unserer Karriereseite und nutzen in dieser Zeit Active Sourcing. Wenn dies nicht erfolgreich ist, veröffentlichen wir die Stelle auf einem Jobportal.
Für andere Positionen verwenden wir weiterhin die klassische Methode „Post and Pray". Wir haben uns für einen Multiposter entschieden, der Stellenanzeigen auf verschiedenen Plattformen platziert, was kostengünstiger und flexibler ist. Dies erspart uns die Verwaltung einzelner Plattformverträge. Bei Bedarf ziehen wir dann noch vereinzelt Dienstleister für Active Sourcing oder Social Media Kampagnen hinzu. Diese nutzen u.a. Programmatic Advertising, um gezielt Kandidatinnen und Kandidaten anzusprechen, die unseren Anforderungen entsprechen.
Da dieses Vorgehen für uns sehr erfolgreich ist, ziehen wir immer seltener klassische – und kostenintensive – Personaldienstleister oder Headhunter hinzu. Diese Flexibilität und die Nutzung verschiedener Ansätze ermöglichen es uns, die besten Talente für unser Unternehmen zu gewinnen.
Welche Maßnahmen setzen Sie um, um den Nachwuchs für Ihre Vakanzen zu begeistern?
Wir müssen ehrlich sein, Corona hat die Situation, wie wir nach jungen Talenten suchen, stark beeinflusst. Wir setzen mittlerweile verstärkt auf Social Media-Aktivitäten wie z.B. auf Instagram, um die jüngere Generation zu erreichen. Klassische Wege wie die Präsenz auf einer Karrieremesse kommen fast nur noch für die Zielgruppe der Dual Studierenden zum Einsatz. Natürlich nutzen wir auch bei den Nachwuchskräften entsprechende Jobportale, die sich auf die jeweiligen Zielgruppen spezialisiert haben. Auch haben wir die Informationen, die wir auf unserer Karriereseite bereitstellen, überarbeitet und werden diese u.a. mit Testimonialberichten und weiteren Informationen für die Zielgruppen anreichern.
Aktuell probieren wir zusätzlich aus, dass wir auf der einen Seite an der FOM Events besuchen, wie z.B. den Bachelor Dual Day. Bei diesem Format können Schülerinnen und Schüler uns in einem Speed-Dating Format kennenlernen. Auf der anderen Seite planen wir auch Schulbesuche, um Dual Studierende für den Vertrieb zu gewinnen.
Was denken Sie, wie wird sich der Arbeitsmarkt, insbesondere bezüglich der Themen Homeoffice und Mobiles Arbeiten, in den nächsten Jahren entwickeln?
Das mobile Arbeiten wird sich in den Unternehmen weiter etablieren. Durch die Pandemie haben wir unsere Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten ausgeweitet und haben festgestellt, dass die Mitarbeitenden dies sehr gut angenommen haben und produktiv arbeiten. Daher haben wir unsere Regelungen zum mobilen Arbeiten erweitert. Nichtsdestotrotz müssen wir auch die Herausforderungen beim mobilen Arbeiten im Auge behalten – z.B. Gewährleistung der Work-Live Balance und dass die Grenzen, wenn wir zu Hause arbeiten, weiter verschwimmen. Hinzu kommt, dass gerade wir im Bankensektor auch die Sicherheit der Daten für unsere Kundinnen und Kunden gewährleisten müssen. Weiter beschäftigen uns regulatorische Aspekte, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmerrechte und Datenschutz gewahrt bleiben.
Ich bin überzeugt, dass digitale Tools wie Teams und ähnliche Anwendungen eine effiziente Zusammenarbeit ermöglichen. Ebenso wichtig ist es aber auch, Begegnungsflächen im Büro zu schaffen, um den persönlichen Austausch zu fördern. Ich denke, eine gewisse Flexibilität in der Arbeitsweise sollte auch zukünftig beibehalten werden, da sie die Bedürfnisse der Mitarbeitenden anspricht. Die Unternehmen sollten die gewonnenen Freiheiten keinesfalls wieder einschränken.