#wirimwandel: Interview mit Matthias Bogk
Krieg, Energieversorgung, Inflation: Die Welt steht vor enormen Herausforderungen und einer grundlegenden Wende. Wie stellen Sie sich in Ihrem Institut auf diesen Wandel ein?
Die Wüstenrot Bausparkasse hat im ersten Halbjahr eines der besten Neugeschäftsergebnisse ihrer rund 100-jährigen Geschichte erzielen können. Naturgemäß hat der rasche und starke Anstieg der Bauzinsen diese Entwicklung sehr begünstigt. Zinssicherung für die Zukunft steht jetzt wieder ganz oben auf der Agenda vieler Kundinnen und Kunden. Für andere galt es, vor einem weiteren Anstieg der Bauzinsen, den wir ja derzeit erleben, eine Immobilien- oder Anschlussfinanzierung unter Dach und Fach zu bringen. Dieses sehr positive Übergangsszenario schwächt sich ab, das merken wir vor allem in der Baufinanzierung, die sich nicht mehr so dynamisch entwickelt. Im Bereich des klassischen Bausparens und im Segment der Modernisierungsfinanzierung, insbesondere unter energetischen Aspekten, rechnen wir indes weiter mit einer sehr ausgeprägten Nachfrage.
Für einen konjunkturellen Abschwung oder gar eine Rezession sind wir als Bausparkasse, nicht nur von der Nachfrageseite her, insgesamt besser gerüstet als andere. Wir haben ein sehr konservatives Geschäftsmodell, unsere Kunden sparen für das Darlehen an. Das minimiert nicht nur Risiken, sondern unterstützt auch eine kostengünstige Refinanzierung. Zudem finanzieren die Bausparkassen Immobilien eher in der Fläche als in Ballungszentren. Und: Inzwischen entfällt die Hälfte unseres Neugeschäfts auf energetische Maßnahmen, was in der Regel sicherer ist, weil die Immobilie schon längst finanziert ist. Im Eigenbuch der Baufinanzierung sind wir risikoseitig ohnehin traditionell eher vorsichtig unterwegs, beispielsweise im Hinblick auf die Beleihungsausläufe.
Welche wirtschaftliche Entwicklung erwarten Sie für Deutschland in den nächsten drei Jahren, und mit welchen Auswirkungen auf den Immobilien- und Pfandbriefmarkt rechnen Sie?
Die Unsicherheiten sind derzeit groß. Vieles hängt davon ab, wie sich die Lage an den Energiemärkten entwickelt, was wiederum wesentlich auch vom Fortgang des Krieges in der Ukraine abhängt. Konsens ist derzeit, dass Deutschland um eine Rezession zu Beginn des kommenden Jahres wohl nicht herumkommen wird. Für uns als Privatkundeninstitut ist zudem wesentlich, wie sich die verfügbaren Einkommen entwickeln werden. Sicherlich sinken mit den nachhaltig gestiegenen Energiepreisen und weiteren markanten Preissteigerungen beispielsweise bei Lebensmitteln die Ausgabespielräume der Verbraucherinnen und Verbraucher. Von daher erwarten wir eine Beruhigung, speziell was den Neubau oder Kauf der eigenen vier Wände und deren Finanzierung betrifft. Für den Wohnimmobilienmarkt gehen wir unter dem Strich von einer weichen Landung aus. Der Preisanstieg wird sich nicht mehr wie in den vergangenen Jahren fortsetzen. Die höheren Zinsen bewirken zusätzlich eine geringere Nachfrage. Wir beobachten auch, dass Immobilienentwickler derzeit Projekte zurückstellen. In bestimmten Lagen in den Ballungszentren, in denen die Preise besonders stark gestiegen sind, ist sogar ein Preisrückgang von bis zu 10 Prozent möglich. Es wird keine Übertreibungen mehr geben, aber auch keinen Preiseinbruch. Der Ausblick muss aber noch mit vielen Fragezeichen versehen werden, denn in einem unsicheren Umfeld werden langfristig wirkende Entscheidungen eher aufgeschoben. Durch den Zinsanstieg der letzten 12 Monate ist das Thema Refinanzierung wieder stärker in den Fokus gerückt, der Kampf um die Kundeneinlagen nimmt wieder Fahrt auf, die Kapitalmärkte sind deutlich enger geworden. Das macht die Refinanzierung über Pfandbriefe nochmals deutlich attraktiver.
Es gibt auch gute Neuigkeiten: Beim Einsparen von Energie im privaten Haushalt paaren sich vor dem Hintergrund des immensen Energiepreisanstiegs neue wirtschaftliche Notwendigkeiten mit politischem und gesellschaftlichem Willen zum ökologischen Umbau. Daraus dürfte eine Sonderkonjunktur, und zwar auf Jahre hinaus, im Bereich der Finanzierung der energetischen Ertüchtigung von Wohnimmobilien resultieren. Auf diesem Feld sind Bausparkassen traditionell stark vertreten. Vergessen wir nicht: Ein Umbau des deutschen Wohnungsbestandes nur auf KfW-Effizienzhaus-Niveau 115 – sprich auf ein Niveau, das noch ein Stück unter den aktuellen Neubauanforderungen liegt – erfordert bis 2045 einen Investitionsbedarf von rund 3 000 Milliarden Euro.
Kreditinstitute nehmen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen eine Schlüsselrolle ein. Was ist Ihr Appell an Aufsicht und Politik?
Bausparkassen tragen ein Stück weit dazu bei, die aktuellen Herausforderungen besser zu bewältigen. Denn sie bieten weiterhin günstige Zinsen und helfen damit vielen Familien, ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu realisieren oder ihr Haus energetisch zu modernisieren. In diesem Kontext sollte der politische Fokus grundsätzlich darauf ausgerichtet sein, bessere Möglichkeiten für die Haushalte zu schaffen, ausreichend Eigenkapital zu bilden. Denn die eigenen vier Wände sind der Schlüssel für die Vermögensbildung und Altersvorsorge normalverdienender Haushalte, bezahlbarer Wohnraum ist eines der wesentlichen gesellschaftspolitischen Themen. Das muss entsprechend gefördert werden. Schließlich sollte auch über die Reduzierung der Hürden für Wohneigentum nachgedacht werden. So können Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer sinnvoll sein. Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt und die Schraube bei den ausufernden Bauauflagen muss wieder zurückgedreht werden. Von Seiten der Regulatorik können wir für das letzte Jahrzehnt über mangelnde Auslastung nicht klagen. Die künftigen Herausforderungen meistern wir insgesamt wohl am besten, wenn sich die Regulierung darauf konzentriert, den Kreditinstituten ihre klassische Funktion als Finanzierer der Realwirtschaft zu ermöglichen. Die großen anstehenden Vorhaben wie die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum oder den energieeffizienten Umbau im Wohnungsbestand schaffen wir nur mit funktionierenden, wettbewerbsfähigen Banken und deren Kreditvergabemöglichkeiten.