#wirimwandel: Interview mit Marc Heß

Marc Heß CFO, Aareal Bank AG


Krieg, Energieversorgung, Inflation: Die Welt steht vor enormen Herausforderungen und einer grundlegenden Wende. Wie stellen Sie sich in Ihrem Institut auf diesen Wandel ein?

Krisenszenarien sind für Finanzinstitute bedauerlicherweise ein nicht ganz unbekanntes Terrain, denken Sie zum Beispiel an die Finanzkrise oder die Covid-19-Pandemie. Da letztere einige unserer Haupt-Anlageklassen wie Hotel und Einzelhandel stark getroffen hat, könnte man diese auch als einen guten Resilienztest für uns sehen. Wir sind jedoch stark global diversifiziert und manche Regionen erholen sich schneller als andere, so dass sich besonders betroffene Märkte durch andere ausgleichen lassen. 

Wichtig bleibt für uns, unsere Refinanzierungsquellen stark zu diversifizieren. Deswegen verbreitern wir sukzessive unsere Investorenbasis und erschließen neue Refinanzierungskanäle. Wir haben im ersten Halbjahr 2022 insgesamt rund 3,9 Milliarden Euro begeben, davon über 2 Milliarden Euro Pfandbriefe. Darüber hinaus starteten wir das private Einlagengeschäft und holten ein zusätzliches Rating von Moody’s ein. Trotz des Wachstums unseres Portfolios auf über 31 Milliarden Euro haben wir eine hohe CET1-Quote von 19,8 Prozent. Resilienz durch eine starke Kapitalisierung und diversifiziertes Funding ist uns in Zeiten wie diesen sehr wichtig, darauf setzen wir auch weiterhin. 

Welche wirtschaftliche Entwicklung erwarten Sie für Deutschland in den nächsten drei Jahren, und mit welchen Auswirkungen auf den Immobilien- und Pfandbriefmarkt rechnen Sie?

Die Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung sind gerade in Deutschland hoch. Das Szenario einer Rezession wird immer greifbarer. Sollte sich die Lage an den Energiemärkten aber verbessern und der Krieg in der Ukraine nicht weiter eskalieren, könnte mittelfristig wieder eine wirtschaftliche Erholung mit moderaten Inflationsraten einsetzen. 

Was den deutschen Immobilienmarkt betrifft, rechne ich nach dem jahrelangen Aufwärtstrend auch bei gewerblichen Immobilien mit einer höheren Ausdifferenzierung im Markt. Bei Objekten, die neben einer guten Lage auch anspruchsvolle ESG-Kriterien und Flexibilität in der Nutzung erfüllen, sehen wir weiterhin eine gute Nachfrage. Bei Objekten in Randlagen erscheint ein Preisrückgang wahrscheinlich. 

Der Pfandbrief ist und bleibt eine unserer wichtigsten Refinanzierungsquellen. Er hat sich in herausfordernden Marktphasen immer bewährt. Selbstverständlich wird sich der Pfandbriefmarkt nicht ganz von den Turbulenzen auf den Kreditmärkten befreien können, allerdings profitiert er auch weiterhin von seiner hohen Qualität.

Kreditinstitute nehmen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen eine Schlüsselrolle ein. Was ist Ihr Appell an Aufsicht und Politik?

Wir müssen uns grundsätzlich die Frage stellen, ob wir in Deutschland leistungsfähige Banken als starke Partner der Wirtschaft haben wollen. Das geht nur, wenn wir angesichts des internationalen Wettbewerbs verlässliche Rahmenbedingungen vorfinden. Es gilt, notwendige Regulierung und die Ermöglichung von Chancen in einen guten Ausgleich zu bringen. Mit der Verhandlung des Bankenpakets auf EU-Ebene oder der Implementierung von ESG-Zielen stehen jetzt wichtige politische Entscheidungen an. Ich wünsche mir ein klareres Bekenntnis zur Branche und für den Finanzstandort. Regulierung sollte die Banken befähigen, ihre Kunden und die Wirtschaft in der anstehenden Transformationsphase zu unterstützen und nicht prozyklisch agieren.

Lassen Sie mich anhand des CRR-Entwurfs ein konkretes Beispiel geben: Ist es klug, notwendige Finanzierungen zur energetischen Gebäudesanierung – so genannte ADC-Finanzierungen - aufsichtlich zu behandeln wie Kreditausfälle, so wie von der Kommission vorgeschlagen? Wünschenswert wäre es jedenfalls, bei den anstehenden Aufgaben die Kreditinstitute als Teil der Lösung zu sehen und ihnen dafür den notwendigen Handlungsspielraum zu lassen.