#wirimwandel: Interview mit Dr. Bettina Orlopp
Krieg, Energieversorgung, Inflation: Die Welt steht vor enormen Herausforderungen und einer grundlegenden Wende. Wie stellen Sie sich in Ihrem Institut auf diesen Wandel ein?
Wir haben im ersten Halbjahr 2022 unseren operativen Gewinnmehr als verdoppelt und damit in einer Phase niedrigen Wirtschaftswachstums gezeigt, dass unsere Strategie greift.
Der Blick nach vorne ist jedoch mit einigen Unsicherheiten behaftet. Die Risiken, mit denen die Wirtschaft konfrontiert ist, sind erheblich. Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist nicht absehbar, die Inflation ist die höchste seit vielen Jahrzehnten und die globalen Lieferkettenprobleme lösen sich – wenn überhaupt – nur sehr langsam auf.
Doch die schwierigste und drängendste Frage ist die nach der weiteren Gasversorgung. Denn die drohenden Engpässe im Gasangebot haben das Potenzial, Deutschland und Europa in die Rezession zu ziehen. Sicherlich positiv ist dagegen die von der Europäischen Zentralbank eingeleitete Zinswende in der Eurozone.
Mit unserer komfortablen Kapitalausstattung und unserer konservativen Risikovorsorge sind wir auf die anstehenden Herausforderungen gut vorbereitet. Wir sind zuversichtlich, etwaige rezessive Entwicklungen ohne Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell und unsere Strategie bewältigen zu können.
Um dem steigenden Inflationsdruck zu begegnen, werden wir an unserem strikten Kostenmanagement festhalten und unsere Strategie 2024 konsequent weiterumsetzen. Damit machen wir die Commerzbank nachhaltig profitabel und richten unser Geschäftsmodell entlang der Bedürfnisse unserer Kunden neu aus.
Welche wirtschaftliche Entwicklung erwarten Sie für Deutschland in den nächsten drei Jahren, und mit welchen Auswirkungen auf den Immobilien- und Pfandbriefmarkt rechnen Sie?
Die deutsche Wirtschaft steht vor enormen Herausforderungen: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verunsichert Verbraucher und Unternehmen. Hinzu kommt der durch den Krieg ausgelöste Energiepreisschock, der den Haushalten und Unternehmen enorme Kaufkraft entzieht. Hinzu kommen die weltweiten Versorgungsengpässe, die einen erheblichen Kostendruck verursachen, den die Unternehmen zu einem großen Teil an die Verbraucher weitergeben. Auch das weltwirtschaftliche Umfeld hat sich inzwischen spürbar eingetrübt: Die US-Wirtschaft wächst inzwischen wesentlich langsamer, und die Zinserhöhungen dürften eine (leichte) Rezession auslösen. Zudem hat die chinesische Wirtschaft vor allem durch die strikte Null-Corona-Politik erheblich an Schwung verloren.
Insgesamt spricht vieles dafür, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte in eine Rezession gerät, die bis Anfang 2023 anhalten dürfte. Erst im Laufe des nächsten Jahres dürften die Belastungen für die deutsche Wirtschaft allmählich nachlassen. Peking dürfte von seiner strikten Null-Corona-Strategie abrücken, was die Bremsen für die chinesische Wirtschaft lösen und die globalen Versorgungsprobleme lindern dürfte.
Ab dem Frühjahr dürfte auch der Nervenkrieg um die Gasversorgung einen großen Teil seines Schreckens verlieren, so dass Verbraucher und Unternehmen wieder weniger zurückhaltend bei Konsum und Investitionen sein dürften, zumal die Haushalte während der Lockdowns Geld gespart haben und die Auftragsbücher noch gut gefüllt sind.
2024 sollte sich die Erholung der deutschen Wirtschaft verstetigen. Die Gaskrise sollte dann angesichts alternativer Versorgungswege weitgehend überwunden sein, die Lieferkettenprobleme dürften sich entspannt haben.
Unser Hauptszenario beruht auf der Annahme, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht weiter eskaliert und Russland – wenn auch begrenzt – weiter Gas an den Westen liefert. Andernfalls ergibt sich ein Krisenszenario mit entsprechenden Folgen für Konjunktur und Geldpolitik: Sollten geringere Gaslieferungen aus Russland zu Rationierungen führen, wird dies vor allem das produzierende Gewerbe treffen und die hiesige Wirtschaft in eine tiefere Rezession stürzen.
Kreditinstitute nehmen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen eine Schlüsselrolle ein. Was ist Ihr Appell an Aufsicht und Politik?
Es ist die Aufgabe der Banken, ihre Kunden bei deren Transformation zu begleiten. Gestiegene Preise, Lieferkettenprobleme und die Energiefrage führen auch zu höherem Finanzierungsbedarf. Aufsicht und Politik sollten dies bei ihren Entscheidungen berücksichtigen und den Finanzsektor befähigen, seine Rolle in diesem fordernden Umfeld zu erfüllen.
Steigende regulatorische Anforderungen und höhere Komplexität sind hier nicht zielführend.